Manchmal ist es eine Erkrankung, ein Sturz oder eine OP, manchmal schlägt das Alter allmählich zu: Plötzlich braucht jemand Hilfe im Alltag. Es gibt es verschiedene Möglichkeiten, maßgeschneiderte Unterstützung zu organisieren.

Die Fenster wurden schon lange nicht mehr geputzt, der Kühlschrank ist leer und die Schmutzwäsche quillt über – aber wie spricht man seine Großeltern oder Eltern darauf an, dass sie offenbar Unterstützung im Alltag benötigen? Eine allgemeingültige Formel gibt es dafür nicht – jeder Fall und jede Familienkonstellation ist anders. Auf alle Fälle empfiehlt es sich, das Thema behutsam anzusprechen: Viele Betroffene haben Angst, zum „Alten Eisen“ zu gehören, wenn sie sich eingestehen, dass sie Hilfe benötigen, oder sorgen sich darüber, wie lange sie noch im gewohnten Wohnumfeld leben können. Wer körperliche Einschränkungen hat, schränkt häufig – gewollt oder ungewollt – seine Sozialkontakte ein. Viele ältere Menschen leiden unter Einsamkeit und Depressionen. Manche reden über ihre Sorgen und Gefühle, andere schämen sich, verdrängen die schleichenden Verschlechterungen oder versuchen, solange es geht, den Kindern etwas vorzuspielen. Gerade wenn die Kinder weit weg leben, fällt die zunehmende Unselbstständigkeit nicht so schnell auf.
Doch auch den Kindern oder Enkelkindern kann eine beginnende Pflegebedürftigkeit der Eltern oder Großeltern Angst machen: Schließlich verändern sich damit die Rollen in der Familie. Gibt es dann noch ungelöste Konflikte in der Familie – zwischen den Kindern und Eltern oder unter Geschwistern, die sich die Pflege vielleicht aufteilen wollen oder müssen, sind Probleme programmiert. Viele Pflegeexperten raten daher, sich die Zeit zu nehmen, mit allen Angehörigen ein offenes, wertschätzendes Gespräch zu führen: Welche Unterstützung ist nötig? Wer kann was leisten?
Manchmal reicht es, eine Haushaltshilfe einzustellen, zum Beispiel auf 520-Euro-Basis (Minijob), für Tätigkeiten im Haushalt, aber vielleicht auch, um bei Einkäufen oder Arztbesuchen zu unterstützen. Eine andere Möglichkeit ist, einen Pflegegrad zu beantragen. Dann zahlt die Pflegekasse je nach Einstufung einen bestimmten Geldbetrag an eine Pflegeperson oder als „Sachleistung“ bezahlt sie einen Pflegedienst dafür, dass jemand bestimmte Leistungen überbringt. Dann kommt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter eines Pflegedienstes für bestimmte Leistungen vorbei, also zum Beispiel zum Anziehen, zum Waschen oder aber auch, um Medikamente zu verabreichen.

Was heißt pflegebedürftig?

Der Pflegegrad bestimmt, in welchem Umfang eine Person aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit auf Hilfe angewiesen ist. Je höher der Pflegegrad, desto höher ist das Pflegegeld, das die Krankenkasse zahlt. Es gibt insgesamt fünf Pflegegrade – ob und wenn ja, welchen jemand erhält, stellt die zuständige Pflegekasse oder eine von ihr beauftragte Stelle anhand eines Begutachtungs-Verfahrens fest.
Als pflegebedürftig gelten Menschen, die gesundheitlich so stark beeinträchtigt sind, dass sie dauerhaft auf Hilfe von anderen angewiesen sind. Die Beeinträchtigungen müssen mindestens für sechs Monate bestehen. Paragraf 15 SGB XI nennt fünf verschiedene Schweregrade der Pflegebedürftigkeit, nach denen den Betroffenen Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung zustehen. Von 1 mit leichter Beeinträchtigung bis 5 mit schwersten Beeinträchtigungen, hier sind die Betroffenen in der Regel bettlägerig.
Doch wann beginnt eine Pflegebedürftigkeit? Wenn die Eltern einfach etwas vergesslicher werden und ihnen das Treppensteigen oder auch die Hausarbeit zunehmend schwerer fällt? Einen Pflegegrad 1 können Seniorinnen und Senioren schon bekommen, wenn sie zum Beispiel ihren Alltag noch weitgehend selbstständig bewältigen und sich auch noch gut versorgen können, aber leichte Einschränkungen vorhanden sind. Konkret heißt das, dass sie zum Beispiel nicht mehr ohne Hilfe in die Badewanne steigen können oder das Bücken immer schwerer fällt und es sehr lange dauert, sich anzukleiden.

Den Antrag stellen

Zunächst müssen Betroffene einen Antrag bei der Pflegekasse stellen, das geht auch telefonisch. Die Pflegekasse ist an die Krankenkasse angeschlossen. Auch Angehörige, Nachbarn oder Freunde können das übernehmen, wenn sie eine Vollmacht haben. Über die Einstufung entscheidet dann bei gesetzlich Versicherten der Medizinische Dienst, bei Privatversicherten ist der medizinische Dienst der Privaten, Medicproof. Voraussetzung ist, dass man in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung zwei Jahre als Mitglied in die Pflegekasse eingezahlt hat oder familienversichert war.
Der Medizinische Dienst beauftragt eine unabhängige Gutachterin. Die Begutachtung ist klar gesetzlich geregelt. Es gibt bundesweit einheitliche Richtlinien nach dem SGB XI. Dazu gehören auch Fristen – über einen Antrag muss in der Regel binnen 25 Tagen entschieden werden, in manchen Fällen auch schneller. Entscheidet die Pflegekasse nicht fristgerecht, erhalten die Antragstellenden eine finanzielle Entschädigung.

Eugen Hasenbank,
Pflegeberater

Gut zu Wissen: Pflegeberatung

In Deutschland gibt es einen Anspruch auf kostenlose professionelle Beratung zur Pflege. Er gilt für alle, die Pflegeleistungen beantragen wollen oder bereits erhalten. Gesetzliche Grundlage ist das Elfte Sozialgesetzbuch (SGB XI) verankert. Die Beratung kann in der Beratungsstelle oder zu Hause stattfinden. Das kostenlose Beratungsangebot gilt auch für Angehörige. Beratung bieten zum Beispiel die Pflegekassen selbst, Pflegestützpunkte, private Unternehmen, Wohlfahrtsverbände, Kommunen oder Verbraucherverbände sowie von den Landesverbänden der Pflegekassen anerkannte Stellen sowie von Pflegekassen beauftragte Personen. Außerdem gibt es spezialisierte Beratungsstellen, beispielsweise zu den Themen Demenz, Selbsthilfe, rechtliche Betreuung, Wohnen und Wohnungsanpassung.

Gut zu Wissen: Hilfe auf Rezept

Wenn jemand nur für bestimmte alltägliche Verrichtungen Unterstützung benötigt, sonst aber noch mobil ist und sich gut selbst versorgen kann, ist es oft schwierig, einen Pflegegrad zu beantragen. Alternativ kann die Hausärztin oder der Hausarzt häusliche Krankenpflege verschreiben, etwa zum Anziehen von Kompressionsstrümpfen. Für diese Leistungen werden gesetzliche Zuzahlungen erforderlich – genau wie bei der Verschreibung zum Beispiel von Heil- oder Hilfsmitteln.